Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich eine Ehe zerstöre
Er 42, Frau 43, der Sohn 8. Sie weiß von mir und will an der Ehe festhalten. Seit 7 Jahren alles sehr unglücklich, weil sie ihn betrogen hat und er ihr nicht verzeihen kann. Kein Sex mehr. Er will sich trennen. Er hat Angst, dass ein Sohn Schaden nimmt. Er hat ihr nach drei Wochen gesagt, dass er sich verliebt hat wie noch nie. Ich mich übrigens auch. Ich habe ein schlechtes Gewissen.
Ich habe Angst etwas bei den beiden kaputt zu machen und überlege mich zurückzuziehen - damit er, nachdem er verstanden hat, wo die Probleme in der Ehe sind, daran arbeiten kann.
Yuliya, 30
Der Sohn Ihres Freundes hat seine Eltern nie glücklich erlebt. Seitdem das Kind ein Jahr alt ist, hegt Ihr Freund einen niemals versiegenden Groll gegen seine Frau. Die beiden schlafen nicht mehr miteinander. Man mag denken, das geht das Kind nichts an. Aber die Auswirkungen der Lieblosigkeit, die stummen Abendessen, das vorwurfsvolle Rüberschieben der Butter, die sind für das Kind zu greifen. Jede ausgebliebene Umarmung, jedes im Vorübergehen nicht gegebene Küsschen hat eine eigene Präsenz. Kinder haben in ihren Nasenspitzen einen Seismographen für die Stimmung in der Familie. Warum haben Kinder den? Weil es für sie überlebenswichtig ist, dass die Eltern gut zueinander sind. Also: evolutionär betrachtet. Heute verhungert keiner mehr. Heute leidet man bloß an der Seele. Was hat der Junge bisher gelernt?
Dass es das glückliche Gelächter seiner Eltern nicht gibt. Dass ein einmal gegebenes Versprechen wichtiger ist als alles andere, auch wenn der Wesensgehalt dieses Versprechens nicht mehr existiert.
Aber: Wenn man den Jungen fragen würde, ob er sich eine Scheidung seiner Eltern wünscht, er könnte sich nichts Schlimmeres vorstellen.
Das Unbekannte ist furchteinflößend und es ist immer leichter, dem Bekannten zu folgen als seiner Hoffnung.
Ein Mann schuldet seinem Sohn, sich auf die Suche nach dem Glück zu machen, selbst dann, wenn das Unglück soviel leichter zu haben ist. Er schuldet ihm auch Liebe, Anwesenheit und Versorgung, aber das will und kann Ihr Freund schließlich leisten.
Er schuldet seiner Frau nicht weitere Jahre im Unglück. Ihr wird es besser gehen ohne ihn. Zunächst einmal kann das alles grausam sein. Selbstbilder werden zerstört und vielleicht wird endlich mal geweint werden. Aber Sie haben das nicht verursacht. Die Frau ist fremdgegangen und sieben Jahre hat der Mann es nicht in sich gefunden, ihr zu verzeihen. Wenn man sieben Jahre sucht, dann gibt es da nichts, das ist sogar im Märchen so. Sie kennen also sein Beharrungsvermögen. Seien Sie ruhig geduldig, aber nicht sieben Jahre lang und auch nicht sieben Monate.