Vier Kinder
Ein Kind kam rothaarig zur Welt, eins fast kahl mit braunen Strähnen, eins blond und eins schwarz.
Ein Kind kann nicht verlieren, eins lässt andere gewinnen, zwei rächen sich immer und schlagen zurück, zwei rächen sich nie und wollen nicht mal schlagen, wenn man ihnen sagt „Vielleicht musst du dich wehren.“
Ein Kind malt besser als seine Eltern, eins schießt 7 von 7 Toren, zwei Kinder brauchten 4 Jahre, um sprechen zu können, zwei sprachen mit 1.
Ein Kind umarmt mich jeden Morgen, zwei sagen „Hallo“, eins ignoriert mich.
Ein Kind hat neue Freunde an jedem Ort, wo es hinkommt, eins ist am liebsten allein, eins brennt vor Ehrgeiz und eins ist so faul, dass man es antreiben muss, aufzustehen.
Ein Kind kocht die ausgefallensten Rezepte aus dem Internet und ein Kind isst nur Nudeln ohne Soße.
Ein Kind tritt Monate vor Weihnachten in Verhandlungen ein, zu denen ich am liebsten einen Anwalt dabei hätte, ein Kind sagt, es wünscht sich ein Kuscheltier, ein Kind denkt sich Namen aus für die Arten, auf die es meinen Rücken drückt, es ruft „Drachen-U-Stachel!“, wenn es seinen Ellenbogen in meiner Schulter versenkt, dass mir die Luft für einen Moment wegbleibt.
Das ist übrigens eins der Kinder, das mit 4 kaum sprach. Eins der besonders sanften Kinder ist der harte Verhandler, das Ehrgeizigste ist das, das am beklommensten ist, wenn wir uns streiten.
Manchmal denke ich, wenn man jeden Menschen so gut kennen würde wie seine Kinder, würde jeder einem vorkommen wie eine einzigartige, kaum erklärbare Mischung von Eigenschaften, ein Wunder.
Eins hat, wenn es als Baby in seinem Zimmer schrie, lauter geschrien, wenn wir reinkamen, weil es so empört war. Eins hat sofort aufgehört, weil nun alles gut war.
Wenn ich die schwerste Strafe ausgesprochen habe, und es auf sein Zimmer schickte, kam eins sofort raus. Bei einem muss man die Tür nicht zumachen, weil es nicht glauben kann, dass man wieder raus könnte, obwohl ich es verbiete. Bei einem muss ich kommen und mich entschuldigen, weil es sonst nie wieder rauskommt.
Eins weint vor Schmerz, eins atmet ihn weg, eins weint vor Empörung, eins aus Wut.
Zwei Kinder glauben, dass ich sie am meisten liebe, zwei glauben mir, dass ich alle gleich liebe. Vier Kinder lieben Mama und wollen sein wie Papa.
Vier Kinder kommen zu mir, wenn ein Bruder ihnen Unrecht getan hat und ich ein Urteil sprechen soll und vier Kinder schimpfen mit mir, wenn ich zu hart urteile.
Vier Kinder streiten sich um jeden denkbaren Gegenstand und vier Kinder schauen mich mit großen Augen an und verwenden sich für ihren Bruder, wenn ich ihm den Bildschirm verboten habe. Vier Kinder sind lauter als sechs Broker in der Bahn, wenn es Richtung Bett geht und leiser als ein Windhauch am Meer, wenn sie Lego spielen und Schach und eins zum ersten Mal seit 5 Wochen Klavier übt. Ein Kind drückt mir sein benutztes Taschentuch in die Hand und ein Kind sagt „Danke“, wenn ich ihm ein Kissen gebe. Bei vier Kindern habe ich keine Ahnung, was sie mal sein könnten und liebe jede Sekunde ihres Lebens, dass es mir den Hals zuschnürt.
Oder wie Fremde sagen, wenn sie mich mit 4 Kindern sehen: „Vier Jungs? Um Himmels Willen, mein Beileid.“