Warum will ich einen Mann, der mich nicht liebt?
Ich war in einer Beziehung mit einem Mann, den ich sehr geliebt habe. Heute würde ich allerdings sagen, dass ich in diesem Fall Liebe mit Sucht oder Besessenheit verwechselt habe. Wir waren überhaupt nicht auf einer Wellenlänge und trotzdem wollte ich ihn unbedingt an meiner Seite wissen. Nach der Trennung hat er meine Situation voll ausgenutzt und mich immer wieder kontaktiert, mit mir geschlafen und mich letztendlich doch wieder weggeschickt. Drei Jahre konnte ich ihn nicht vergessen und habe gelitten. Jetzt bin ich endlich in einer harmonischen Beziehung angekommen. Die Gefühle zu meinem derzeitigen Partner sind moderater als zu meinem Ex damals und mein Ex kreist immer noch in meinen Gedanken umher.
Tanja, 32
Ihr Ex hat gegenüber dem neuen Partner den großen Vorteil, dass er nicht Alles gegeben hat. So bleibt ein großes "Was wäre wenn?“.
Was wäre, wenn er mich so hätte lieben können, wie ich ihn geliebt habe, was wäre, wenn sich unsere Wellenlängen doch noch angeglichen hätten?
Und wie alles, was nicht real ist, kann diese Idee größer und schöner sein als die Wirklichkeit.
Aber diese Realität hat nicht nur nicht stattgefunden, sie ist in der Tat denkunmöglich. Denn ohne Ihre Abhängigkeit, ohne sein Genervtsein, wäre es einfach nur eine Beziehung gewesen, in der man sich nicht ganz so toll versteht.
In der Verfilmung von „Gefährliche Liebeschaften“ fragt der Vicomte de Valmont: „Warum jagen wir, was uns entflieht?“
Die Marquise de Merteuil antwortet: „Unreife?“
Die Gegenfrage der Marquise ist halb richtig. Man könnte auch antworten: „Warum sollte man etwas jagen, das nicht wegläuft? Das wäre dann ja kein Jagen. Einen Schoßhund kann man nicht jagen, man jagt einen Fuchs. Und es ist nicht der Pelz des Fuchses, der uns erfreut, sondern die Jagd selbst.“
Die Freude an der Jagd ist nicht an sich ein Zeichen der Unreife, obwohl gerade jüngere Kinder bis in ihre Pubertät hinein am allerliebsten das haben, was sie nicht bekommen können.
Ein Zeichen der Unreife ist, den Sport, den Spaß, das Vergnügen des Spiels nicht unterscheiden zu können von dem, worauf es ankommt.
Natürlich bietet es einen anderen Nervenkitzel, wenn ich mich jeden Tag fragen muss „Liebt sie mich noch?“ als eine Antwort auf diese Frage zu haben.
Aber nur wenn ich diese Frage beantworte, kann ich auf die höheren Ebenen des Spiels kommen.
Weswegen man, wenn man älter wird, in der Regel „Geh-weg-komm-her“-Spiele nur noch langweilig findet.
Sie jagen in Gedanken einem Fuchs hinterher, dessen Fell über Ihrem Kamin längst nicht so schön aussähe wie an seinem mit den Jahren dicker werdenden Bauch.